März. 29, 2021
9 Minuten
Die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) sind auch im Fuhrpark relevant – insbesondere die DGUV Vorschrift 70 (ehemals BGV d29), die sich mit Fahrzeugen befasst. Als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung achten die Berufsgenossenschaften bei einem Unfall natürlich darauf, ob dieser auf eine Verletzung oder Nicht-Einhaltung der UVV-relevanten Vorschriften zurückzuführen ist. Ist dies der Fall, droht nicht nur ein Bußgeld, sondern auch, dass die Berufsgenossenschaft ihre Leistung verweigert.
Fuhrparkmanager sollten deshalb mit den folgenden drei Pflichten vertraut sein und deren Durchführung sicherstellen:
- Fahrzeugprüfung durch einen Sachkundigen (umgangssprachlich als Fahrzeug-UVV bekannt)
- Fahrzeugkontrolle durch das Fahrpersonal
- Fahrerunterweisung (umgangssprachlich als Fahrer-UVV bekannt)
Das Problem bei rechtlichen Texten: Sie sind meist nur schwer verständlich. Deshalb erklären wir in diesem Artikel die Pflichten aus der DGUV Vorschrift 70 auf einfache Art und Weise. Bevor wir vertieft auf die einzelnen Pflichten eingehen, werfen wir einen kurzen Blick auf die rechtlichen Hintergründe der UVV.
Rechtliche Hintergründe der UVV
Die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) sind Teil des Vorschriften- und Regelwerks der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes. Die UVV konkretisieren das gesetzliche Arbeitsschutzrecht – wie z. B. das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) – im Bereich der Unfallverhütung. Zentral ist dabei unter anderem § 4 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz), der besagt, dass Arbeitgeber durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes dafür sorgen müssen, Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden werden.
Vertiefte Informationen zur Rechtsgrundlage der DGUV sowie zur Beziehung zwischen dem staatlichen Arbeitsschutzrecht und den Unfallverhütungsvorschriften finden Sie in unserem Beitrag zu den Rechtsgrundlagen der DGUV Vorschrift 70.
DGUV Vorschrift 70 BGV d29: Geltungsbereich der Unfallverhütungsvorschriften für Fahrzeuge
Die DGUV Vorschrift 70 BGV d29, die sich mit Fahrzeugen befasst, gilt für alle Fahrzeuge, die ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten zur Verfügung stellt (§ 1 Abs. 1 DGUV Vorschrift 70). Ob es sich dabei um einen fest zugewiesenen Firmenwagen oder ein Poolfahrzeug handelt und ob der Angestellte das Fahrzeug auch privat nutzen darf, ist irrelevant. Vom Geltungsbereich der DGUV Vorschrift 70 ausgeschlossen sind jedoch dienstlich oder geschäftlich genutzte Privatfahrzeuge, also Fahrzeuge, deren Halter ein Angestellter selbst ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 12 DGUV Vorschrift 70).
§ 57 DGUV Vorschrift 70 BGV d29: Fahrzeugprüfung durch einen Sachkundigen
§ 57 Abs. 1 DGUV Vorschrift 70 besagt, dass der betriebssichere Zustand eines Fahrzeuge mindestens einmal jährlich durch einen Sachkundigen überprüft werden muss. Diese Prüfung wird auch Sachkundigen-Prüfung genannt und umgangssprachlich als Fahrzeug-UVV bezeichnet.
Hinweis: Eine Definition des Begriffs “Sachkundiger” finden Sie in der Durchführungsanweisung zu § 57 Abs. 1 DGUV Vorschrift 70 sowie in § 2 Abs. 6 BetrSichV.
DGUV Grundsatz 314-003 “Prüfung von Fahrzeugen durch Sachkundige” (früher BGG 916) definiert die Maßstäbe für das Prüfverfahren sowie Prüfkriterien, um den betriebssicheren Zustand von Fahrzeugen nachzuweisen. Betriebssicherheit wird dabei als “Verkehrssicherheit + Arbeitssicherheit” definiert.
Gemäß § 57 Abs. 2 DGUV Vorschrift 70 muss der Prüfbefund schriftlich festgehalten und zum Nachweis aufbewahrt werden. Ebenfalls muss der Prüfbefund sowohl vom Prüfer als auch vom Unternehmen resp. dem Fuhrparkverantwortlichen abgezeichnet werden. In Abschnitt 3 “Prüfnachweis” des DGUV Grundsatzes 314-003 werden die dokumentationspflichtigen Punkte aufgelistet. Der DGUV Grundsatz 314-005 “Prüfbefund über die regelmäßige Prüfung von Fahrzeugen durch den Sachkundigen” (früher BGG 938) dient als Muster eines solchen Prüfbefunds.
Prüflisten für Sachkundigen-Prüfung
Die Prüflisten für die Sachkundigen-Prüfung von Fahrzeugen sind in Abschnitt 5 des DGUV Grundsatz 314-003. Die zwei Prüfbereiche – Arbeitssicherheit und Verkehrssicherheit – werden getrennt behandelt.
Der Bereich “Arbeitssicherheit” umfasst die Prüflisten A bis N. Die Prüfliste A (Arbeitssicherheit – Fahrzeuge allgemein) dient dabei als Basis-Prüfliste und gilt für alle Fahrzeuge. Die Prüflisten B bis N sind Ergänzungs-Prüflisten für Sonderfahrzeuge und sind immer in Verbindung mit der Basis-Prüfliste A zu anzuwenden.
Der Bereich “Verkehrssicherheit” wird in der Prüfliste V behandelt. Diese Prüfliste ist nicht untergliedert und muss bei allen Fahrzeugarten angewendet werden.
Hinweis: Abschnitt 4 des DGUV Grundsatz 314-003 erklärt die Anwendung der Prüflisten detailliert.
Gleichzeitige Durchführung der Sachverständigen-Prüfung
Es gibt eine spezifische Ausnahme, bei der die Sachkundigen–Prüfung auf den Bereich “Arbeitssicherheit” beschränkt werden darf (Abschnitt 1 des DGUV Grundsatz 314-003): wenn die Sachkundigen–Prüfung gleichzeitig mit der Sachverständigen–Prüfung (Hauptuntersuchung) nach § 29 StVZO durchgeführt wird und das Prüfergebnis der abgeschlossenen Sachverständigen-Prüfung mängelfrei ist.
Die Beschränkung der Sachkundigen–Prüfung auf den Bereich “Arbeitssicherheit” gilt aber ausschließlich, wenn dieser spezifische Fall zutrifft. In allen anderen Fällen müssen beide Bereiche – Arbeitssicherheit und Verkehrssicherheit – geprüft werden.
Beachten Sie bitte, dass eine Sachkundigen-Prüfung nach DGUV keine Sachverständigen–Prüfung nach § 29 StVZO ersetzt.
Vertiefte Informationen zur Fahrzeugprüfung durch einen Sachkundigen finden Sie in unserem Artikel über die Fahrzeug-UVV.
§ 36 DGUV 70 BGV d29: Fahrzeugprüfung durch das Fahrpersonal
§ 36 Abs. 1 DGUV Vorschrift 70 verpflichtet Fahrer von Firmenwagen dazu, das jeweilige Fahrzeug zu Beginn jeder Arbeitsschicht auf dessen Betriebssicherheit zu überprüfen. Erst wenn die Wirksamkeit der Betätigungs- und Sicherheitseinrichtung geprüft wurde, darf der Fahrer das Fahrzeug nutzen.
DGUV Grundsatz 314-002 “Prüfung von Fahrzeugen durch Fahrpersonal” (früher BGG 915) werden die Maßstäbe zur Feststellung des betriebssicheren Fahrzeugzustands bei der Prüfung durch den Fahrer definiert.
Hinweis: Fahrzeuge, die am öffentlichen Verkehr teilnehmen, sind Fahrer ebenfalls aufgrund von § 23 Abs. 1 & Abs. 2 StVO verpflichtet, den Zustand des Fahrzeugs regelmäßig zu kontrollieren.
Gemäß § 36 Abs. 2 DGUV Vorschrift 70 besteht für Fahrer zudem die Pflicht, festgestellte Mängel dem Arbeitgeber bzw. dem Fuhrparkverantwortlichen zu melden. Ist durch einen Mangel die Betriebssicherheit des Fahrzeugs gefährdet, muss der Fahrer den Betrieb des Fahrzeugs sofort einstellen.
Vertiefte Informationen zur Fahrzeugprüfung durch das Fahrpersonal finden Sie in unserem Artikel über die Fahrzeug-UVV.
§ 35 DGUV 70: Fahrerunterweisung
Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 3 DGUV Vorschrift 70 besteht für Arbeitgeber die Pflicht, Beschäftigte in das Führen des Fahrzeugs zu unterweisen. Diese Fahrerunterweisung muss vor dem erstmaligen Gebrauch des Fahrzeugs und anschließend einmal jährlich durchgeführt werden sowie schriftlich dokumentiert werden (§ 12 ArbSchG, § 12 BetrSichV, § 4 DGUV Vorschrift 1).
Weitere Informationen zur Fahrerunterweisung finden Sie in unserem Beitrag über die Fahrer-UVV. Dieser erläutert, wie Sie Unterweisung manuell durchführen können. Die manuellen Kontrollen sind jedoch sehr zeitaufwendig. Alternativ gibt es die Möglichkeit zu elektronischen Fahrerunterweisung per E-Learning. Bei dieser Variante können Fahrer basierend auf aktuellen Unterlagen die Unterweisung ortsunabhängig absolvieren.